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Erarbeitung von photogrammetrischen Auswerteverfahren für den Einsatz schwenkbarer Kameras in der Leistungssportforschung

(Development of photogrammetric evaluation methods for the use of pivoting cameras in competitive sports research)

Die Bildmeßverfahren sind ein grundlegendes Untersuchungsverfahren der Leistungssportforschung. Auf ihre Schlüsselstellung ist bereits in einer Vielzahl von nationalen und internationalen Publikationen hingewiesen worden, z. B. SCHACKE /45,46/. Veröffentlichungen zur Theorie und Praxis der Bildmeßverfahren im Leistungssport nehmen in der sportwissenschaftlichen, insbesondere biomechanisch orientierten Fachliteratur einen bedeutenden Platz ein. Als berührungsfreie und rückwirkungsfreie Meßverfahren sind Bildmeßverfahren universell einsetzbar und gestatten die indirekte Messung biomechanischer Parameter. Die Anwendung ist dementsprechend breit gefächert. In nahezu allen am Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport (FKS) und in den anderen Zentren der DDR-Leistungssportforschung untersuchten Sportarten und Disziplinen werden Filmbzw. Videoaufnahmen nicht nur zur qualitativen Interpretation (Eindrucksanalyse), sondern auch zur Ermittlung quantitativer Parameter der vollzogenen sportlichen Bewegung genutzt. Auch international ist ein dominanter Einsatz der Bildmeßverfahren zur Ermittlung biomechanischer Parameter zu konstatieren. Wesentliche Entwicklungsfortschritte gab es am FKS in den letzten Jahren in der Anwendung moderner Mikrorechen- und Videotechnik, d. h. auf dem technologischen Sektor, während wesentliche inhaltliche Komponenten in ihrer Entwicklung stagnierten. Diese Rückstände betrafen insbesondere die Einsetzbarkeit schwenkbarer Kameras. Für eine Vielzahl von Sportarten und Disziplinen ist der Bewegungsraum nicht eng begrenzt, sondern ein Mitführen der Kamera mit dem Sportler ist notwendig bzw. erstrebenswert. Solche Sportarten und Disziplinen wären beispielsweise Gerätturnen (Pferdsprung, Boden), Weit- und Dreisprung, Speerwurf, Wasserspringen, Eiskunstlauf, Eisschnellauf oder Skisprung. Die Absicht, den Athleten großformatig ins Bild zu bringen mit dem offensichtlichen Vorteil der besseren Körper- oder Gerät- Punktidentifikation laßt sich sonst nicht verwirklichen. Durch Schwenken der Kamera mit dem bewegten Objekt wird die Bildfläche wesentlich besser ausgenutzt und die räumliche Auflösung damit entscheidend verbessert (/4 /,S.23). Die Verminderung der Bildgeschwindigkeit des aufgenommenen Objektes führt su einer Erhöhung der Abbildungsschärfe, die besonders bei Videoaufnahmen deutlich wird. Die bisherigen Aufnahme- und Auswertelösungen waren bzw. einige sind noch umständlich und aufwendig bzw. fehlerbehaftet. Dafür einige Beispiele. Für Meßaufnahmen von Sprungreihen im Gerätturnen-Boden und der Anlauf- und Abwurfphase im Speerwurf wird die Kamera mitgeschwenkt. Trotz der zumindest zeitweiligen Nichtparallelität der Bildebene gegenüber der angenommenen Bewegungsebene wird linear über einen Maßstab entzerrt (KÖLLNER/34/), was einen systematischen Fehler verursacht. Hier besteht ein starkes Interesse daran, dieses fehlerbehaftete Auswerteverfahren durch ein den tatsächlichen Bewegungsverhältnissen besser angepaßtes zu ersetzen. Für die Analyse von Eisschnellauf-Bewegungszyklen und Sprungelementen im Eiskunstlauf ist der Einsatz zweier Kameras erforderlich, um die räumliche Struktur der sportlichen Bewegung rekonstruieren zu können. Während die für Eisschnellauf vorhandene Lösung bei der SV Dynamo Berlin (inzwischen dort auch für Hürdensprint erschlossen) zwar die Schwenkung einer, eigentlich sogar beider Kameras zuläßt (WOLLENHAUPT /59/), ist demgegenüber ein hoher meßtechnischer- und Erfassungsaufwand nötig, der eine praktische Nutzung bislang erschwerte und einem Einbau als Einsatzvariante schwenkbarer Kameras in den Programmsystemen zu Bildmeßverfahren am FKS entgegenstand. Im Eiskunstlauf wird versucht, für die komplexe Leistungsdiagnostik den Sprungbereich verbindlich für die Sportler zu markieren und diesen mit zwei weit entfernten starren Kameras zu erfassen. Die Folgen sind in der Regel kleinformatige Sportler im Bild. Trotzdem erweist sich der erfaßbare Bewegungsraum für eine geschlossene Analyse von Sprungkombinationen als noch zu klein. Die Sportler für eine sicherere Körperpunktidentifikation größer ins Bild zu bekommen, weitere Kürelemente auswerten zu können und ein Auswerteverfahren auch für Wettkampfbedingungen zur Verfügung stehen zu haben, ist für Eiskunstlauf ein notwendiges Erfordernis zur Erhöhung der Quantität und Qualität der biomechanischen Analysen. Für die Bewegungsanalyse im Skisprung werden mehrere starre Kameras eingesetzt, um den interessierenden Bewegungsabschnitt zu erfassen. Dies beinhaltet zunächst mehrere meßtechnische Probleme. Zum einen ist das Finden mehrerer geeigneter Aufsteilorte an den Schanzen nicht leicht, zumal aufgrund der zum Einsatz kommenden linearen Entzerrung eine senkrechte Ausrichtung der Kameraachse zur angenommenen Bewegungsebene erforderlich ist. Zum anderen werden mehrere Kameras benötigt (bis zu fünf), was zusätzlichen Transport-, Aufstell- und Betreuungsaufwand erfordert. Weiter lassen sich in der Regel die Einzelauswertungen jeder dieser Kameras nicht zu einer geschlossenen Auswertung zusammenfügen, da die Anschlußbedingungen (z. B. Synchronität der Kameras, keine zeitliche Lücke in der Bewegungsaufzeichnung) nicht erfüllt sind. Auch durch den Einsatz zweier starrer Kameras zur räumlichen Analyse der Bewegung des Skispringers läßt sich das Problem des Erfassens nur eines relativ kleinen Bewegungsabschnittes nicht umgehen. Der Einsatz schwenkbarer Kameras im Skisprung ist offensichtlich vorteilhaft. Für die breite Anwendung von Bildmeßverfahren zur Trainingsbeobachtung und insbesondere für den Einsatz unter Wettkampfbedingungen ist es unumgänglich, Meßaufnahmen von geschwenkten Kameras zuzulassen und dies auch, falls die räumliche Struktur der zu rekonstruierenden sportlichen Bewegung es erfordert, flexibel kombiniert mit weiteren starren und geschwenkten Kameras. Eine Erprobung anderer Meßverfahren für die dreidimensionale Objektpunktrekonstruktion im Leistungssport (z. B. Entfernungssensoren auf Basis strukturierten oder codierten Lichts, Radar) wird zur Zeit vorbereitet. Inwiefern sie eine technische Alternative darstellen, werden die Erprobungsergebnisse zeigen müssen. Kernproblem für den Einsatz schwenkbarer Kameras für Bildmeßverfahren ist die Bereitstellung geeigneter photogrammetrischer Auswerteverfahren. Erst ihre Entwicklung und rechentechnische Umsetzung hebt den Einsatzzwang starrer Kameras auf und läßt den oftmals den Gegebenheiten der Aufnahmesituation besser entsprechenden Einsatz schwenkbarer Kameras zu. Hierzu einen Beitrag zu leisten ist Ziel dieser Arbeit. Hauptzielrichtung und Hauptergebnis dieser Arbeit ist die im Kapitel 5 erfolgende, aus der praktischen Analyse hervorgehende mathematische Formulierung und Lösung von Anforderungen an die Entwicklung bzw. Erßchließung photogrammetrißcher Außwerteverfahren. Die unabhängig vom Aufzeichnungsverfahren (Film oder Video) entwickelten Algorithmen werden anhand von Modell- und praktischen Daten getestet und ihre komplexe Einsatzfähigkeit in Verbindung mit Erläuterung ihrer Einsatzumgebung in Kapitel 9 demonstriert. Die erforderlichen Programmierarbeiten wurden im wesentlichen vom Verfasser realisiert.
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Aiheet: video automaattinen mittausmenetelmä kuva-analyysi matemaattis-looginen malli
Aihealueet: tekniset ja luonnontieteet
Julkaistu: Leipzig Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport 1988
Sivuja: 169
Julkaisutyypit: väitöskirja
Kieli: saksa (kieli)
Taso: kehittynyt